Kaum war die Fasnet in Rottweil symbolisch zu Grabe getragen worden, machte sich eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern des Albertus-Magnus-Gymnasiums am vergangenen Samstag auf den Weg nach Heilbronn, um sich dort auf eine musikalische Reise ins jüdisch-osteuropäische „Schtetl“ mitnehmen zu lassen: Gemeinsam mit ihrer Lehrerin besuchten die Hebräischkurse des AMG am 25.2.2023 ein Konzert der Band Naschuwa, die an diesem Abend in der Heilbronner Kilianskirche spielte.
Naschuwa, das sind vier deutsche Musiker, die selbst nicht Juden sind, aber von der musikalischen Tradition des Judentums fasziniert sind und diese Tradition gerne weitertragen möchten: Matthias Helms an Geige und Gesang, Thomas Damm an Gitarre und Tabla, Rainer Ortner am Akkordeon und Thore Benz am Kontrabass. In ihren Konzerten in Deutschland und Europa führen sie zusammen mit ihrem Publikum „ein musikalisches Gespräch mit jüdischer Kultur,“ wie sie ihr Anliegen selbst beschreiben. Dabei kommen ganz unterschiedliche Facetten dieser Kultur zu Gehör: instrumentale Klezmerstücke und jiddische Lieder des osteuropäischen Judentums, hebräische Lieder aus der Liturgie der Synagoge, aber auch zeitgenössische Lieder aus dem Alltag im heutigen Israel.
Das am Samstag in Heilbronn dargebotene Programm stand unter dem Titel „Schpilt a frejlachs“, Spielt etwas Fröhliches – und der Name war durchaus Programm: Die schwungvollen jiddischen und hebräischen Stücke und Lieder der Band verbreiteten im Nu gute Laune, die sich sogleich auf die Zuhörer übertrug. Zwischen den Stücken gab es charmant vorgetragene Geschichten, Hintergrundinformation und viel jiddischen Humor. Durch die ausgelassene Fröhlichkeit der Musik von Naschuwa zog sich jedoch auch eine melancholische Note, denn nicht nur die jüdische Geschichte, sondern auch der menschliche Alltag kennt neben guten eben auch schwere Tage.
Die Jugendlichen aus Rottweil fanden fasziniert das im Unterricht Gelernte in der Musik wieder. Neben viel Neuem über die hebräische Sprache, über das Jiddische und seinen Einfluss auf das Deutsche, sowie über eine bunte, reiche und vielfältige nicht nur musikalische Tradition lernten die Hebräischbegeisterten auch, wie Musik Teil einer Erinnerungskultur sein kann, die sich gegen das Vergessen und Verdrängen einsetzt und auf diese Weise dazu beiträgt, dass das Leben reicher und vielseitiger weitergehen kann. So erfuhren sie, wie die beiden Gründungsmitglieder von Naschuwa, Thomas Damm und Matthias Helms, vor 35 Jahren in Edinburgh ihr damals nur aus einer Handvoll Stücken bestehendes Repertoire in der Fußgängerzone spielten. Ein Passant, der lange stehengeblieben und ihrer Musik aufmerksam zugehört hatte, stellte sich ihnen schließlich als Sohn deutscher Juden vor, die sich gerade noch rechtzeitig vor der Schoah in die USA hatten retten können. Die Tatsache, dass nun ausgerechnet nichtjüdische Deutsche jüdisches Liedgut bewahren und weitergeben wollten, berührte ihn tief. Auch seinen Eltern würde es mit Sicherheit helfen, sich mit dem in Deutschland Erlebten auszusöhnen, wenn er ihnen davon erzählte, meinte er. Sichtlich bewegt sprach der jüdische Zuhörer zum Abschied den traditionellen hebräischen Segen über den beiden jungen Musikern.
So kann auch die Musik einen Beitrag zu einem guten Umgang mit der Vergangenheit leisten. Und wenn dies gelingt, kann zuversichtlich in die Zukunft geblickt werden. Ganz in diesem Sinne beschloss denn auch ein israelisches Lied, das die Hoffnung auf eine bessere Zukunft formuliert, ein insgesamt eindrückliches Konzert: „BaSchana haba’a“ – Du wirst sehen, wie gut (das Leben) im nächsten Jahr sein wird.