Wegen der Erkrankung einer Hauptdarstellerin mit 14 Tagen Verspätung, spielte die Oberstufen-Theater-AG des AMG am 1. und 2. Dezember im Festsaal der Gymnasien Eugène Ionescos absurde Parabel von den „Nashörnern“.
In einer namenlosen Kleinstadt grassiert die „Rhinoceritis“. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger verwandeln sich in bereitwilliger Ansteckung in Nashörner. Diese dringen zunehmend in alle Lebensbereiche vor: Progressivität und Konservativismus, Politik und Privatwirtschaft kapitulieren ebenso wie Presse und Schule, die Wissenschaft erschöpft sich in der Gestalt des „Logikers“ in ebenso hohlen wie erkenntnisfreien Syllogismen Am Ende marschieren alle mit, sei es aus Opportunismus, Ideologie oder fehlender Einsicht, dass das Leben nicht so weitergehen kann, wie man es gerne möchte. Übrig bleibt die Hauptfigur Behringer, zu Beginn der Handlung eine gescheiterte Existenz, der zur Selbstreflexion aufruft und das Menschsein verteidigt.
Die Oberstufen-Theater-AG des AMG zeigte eine geschlossene Ensembleleistung, auch in den Nebenrollen. David Frevert gab einen pragmatischen Feuerwehrmann in Eile, Valeriya Antoni die Kellnerin und Frau Ochs, die ihren vernashornten Mann nicht alleine lassen will und auf dessen Rücken davonreitet. Joris Fuchs spielte den Firmenchef Schmetterling, den auch im Angesicht des Untergangs nur die Bürozeiten seiner Angestellten interessieren. Helena Schwarz verkörperte den Älteren Herrn sowie Wisser, der zunächst zur Erklärung der kursierenden Rhinoceritis eine kritische Verschwörungstheorie entwickelt, sich dann aber freiwillig zum Nashorn wandelt. Lea Braun, die neben ihrer eigenen Rolle wenige Tage vor den Aufführungen für den erkrankten Felix Weidner eine zweite übernommen hatte, überzeugte textsicher und mit überzeugendem Spiel als Hans, der sich auf offener Bühne in ein Rhinoceros verwandelt, sowie als Stech, der seinen Freund Behringer in übertriebener Toleranz von der Ungefährlichkeit der Tiere zu überzeugen versucht. Cosima Haller gab einen herrlich verschrobenen Logiker sowie die Sekretärin Daisy, die Behringer liebt, aber in Konflikt mit dessen rigoroser Selbstreflexion gerät und ihn schließlich als letzte unter den Menschen zugunsten der Nashörner verlässt. Als Behringer glänzte Thea Birk, die das ganze Spektrum zwischen Erregung, Melancholie und Verzweiflung überzeugend auf die Bühne brachte und mit einer aggressiv-trotzigen musikalischen Performance zugunsten des Menschseins einen kraftvollen Schlusspunkt setzte.
Schülerinnen und Schüler der sechsten Klassen trampelten, tanzten und sangen als Nashörner in Masken aus Pappmaché, Sarah Seibold und Moritz Eberhardt begleiteten am Klavier. Beleuchtung, Akustik und Projektionen übernahmen die Schülerinnen und Schüler der AG Veranstaltungstechnik. Inszenierung und Regie lagen in den Händen von Matthias Engler, dem es gelang, mit sparsamer Szenerie und kluger Personenführung Ionescos Stück ebenso aussagekräftig wie witzig auf die Bühne zu bringen. Begeisterter Applaus belohnte am Ende alle Mitwirkenden.
Dr. Thomas Ehlen